top of page
Inventaire407_edited.jpg

Kunst der reversiblen Abstraktion


 
 

Der künstlerische Werdegang von Valentiner beginnt in den frühen sechziger Jahren in der französischen Stadt Tours. Der zweiundzwanzig-jährige Student der Ecole Regionale des Beaux-Arts nimmt die Auswirkungen der abstrakten Geometrie des »hard edge« auf und kombiniert sie mit der in Frankreich heimischen Tradition der absurden Attitude des Surrealismus. Im Jahr 1967 entstehen Bilder, die mit Titeln, wie »Porträt eines jungen Fachmanns. Alles in der Krawatte ! « oder » Monsieur X, 18 Jahre alt, 1 Meter 65 «, an die ironische dadaistische Rätselhaftigkeit von Man Ray oder Francis Picabia erinnern. In beiden Bildern tritt eine Kombination gleicher formaler Elemente auf - ein Viereck mit einem abstrakten geo-metrischen Raster, eine Krawatte, ein Kreissegment und schließlich ein mit Punkten aufgerastertes Feld-, die, auch wenn sie jedesmal in einem anderen motivischen Zusammenhang auftreten, den Charakter von Variationen eines gleichen Musters vermitteln. Schon hier wird ein wichtiges Charakteristikum Valentiners Arbeitsweise sichtbar: die Erstellung von Variationen und Mutationen eines Grundmotivs oder einiger Grundformen. Diese künstlerische »Methode« bleibt auch später einer der wichtigsten Faktoren im künstlerischen Oeuvre Peter Valentiners.


Der Pariser Mai 1968, der den Gipfel der Studentenbewegung in Europa darstellte, und die Liberalisierungsversuche in der Sowjetunion und China brachte die französische Kunstszene in den Sog der Politik. In dem Buch »Kunst in Frankreich seit 1966 « beschreibt Marie Louise Syring die damalige Situation folgendermaßen: „Viele Künstler und Intellektuelle, [ ... ] sind [ ... ] damals wieder in einen Dialog mit dem Marxismus und auch mit der der PCP getreten, angesichts der Entstabilisierung und der Rolle, die die Partei im Unabhängigkeitskampf der Algerier spielte. Aber mehr noch trug die Kulturrevolution 1966 in China das ihre zur allgemeinen Politisierung der Szene bei." Ein großer Teil der bildenden Künstler in Frankreich fühlt sich, in Korrespondenz mit der politisierenden Einstellung der französischen Intellektuellen verpflichtet, in ihren Bildern das Politische zu thematisieren.


Auch Peter Valentiner verläßt die allgemeinironischen Motive und ersetzt sie in seinen Bildern durch Motive des »Klassenkampfs«. Obwohl er sich mental in der Nähe der Gruppe »Supports/Surfaces« sieht, die ihre pseudomarxistische politische Einstellung und das Streben nach einer voll-ständigen »Entideologisierung« der Kunst in einer dekorativen Abstraktion zu verwirklichen bestrebt ist, weisen seine »Touristes a Moscow« (1969) und »The SaW Man, Detektiv« -Bilder (1969) eher eine formale Verwandschaft mit den kritisch-realistischen gemalten »Collagen« von Gudmundur Erro auf.


In dem Bild »I'm a lonesome cowboy«, das 1969 entstand, »collagiert« Valentiner verschiedene Bilder in eine nach der mondrianschen Rasterordnung aufgeteilte Bildfläche. Allerdings wird das Raster nur in der Orientierung und Verteilung der Teilbilder eingehalten, nicht jedoch an seinen Grenzen, so daß der Eindruck entsteht, als ob es sich um auf und nebeneinander geklebte Postkarten handele. Den Eindruck von Postkarten verstärken noch die Motive und deren formale, extrem plakative Reduktion auf bloße Silhouetten: die Silhouette eines Rodeocowboys, der auf dem Rücken eines Pferdes vor dem leuchtenden Kreis einer aufgehenden Sonne erscheint, das Schattenbild eines anderen Cowboys, der in der Abenddämmerung eine Kuh nach Hause treibt, die Silhouette eines amerikanischen Downtowns und das Bild einer flatternden koreanischen Flagge. Sie alle bekommen durch die Verbindung mit der zentralen Figur eines Gis in voller Rüstung, der sich - I'm a lonesome cowboy - als eine einsame Silhouette in einer fernöstlichen Landschaft verliert, einen politisch-kritischen Inhalt, der den kontrastreichen Gegenüberstellungen dieser werbeträchtigen »Idyllen« entspringt.


Comments


bottom of page