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Eine Lebensstrecke


1984-02-09 Eine Lebensstrecke
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Mit Vergnügen kann ich sagen, daß der Künstler, von dem ich jeden Monat einen Artikel verfasse, eine exemplarische Bedeutung für seine künstlerische Marschrichtung und für seine ästhetischen Positionen hat. Das Wort exemplarisch stört mich. Sagen wir typisch. Eine bestimmte Art, die persönliche Stilistik mit den ästhetischen Fragen zu verbinden, die durch die Zeit hervorgerufen werden. Das gilt auch für Peter Valentiner, dessen Geschichte sich zwischen der gestuellen Malweise und den formellen Problemen erstreckt, zwischen der Freiheit und dem Zwang.


Ich habe Peter Valentiner 1975 kennengelernt. Seine Bilder waren eine Explosion von Elementen, dessen chaotischer Aspekt seltsam mit der Steifheit des Bildträgers und der Kälte der Farbe kontrastierte, eine Art statische Festigkeit. Valentiner war an einem Wendepunkt angekommen und ich war gespannt zu erfahren, was sich inzwischen getan hatte. Das Chaos, wenn auch beherrscht, bürgerte den Zufall ein. Anstatt, daß sich die Malerei von Valentiner mit einer großen Anzahl von Elementen füllt, konzentriert sie sich nun nach und nach auf 2 oder 3 Formen, wobei die Farbe vorherrscht. Ganz im Widerspruch gewinnt das Bild nun an Durchlässigkeit und Sensibilität. Der Widerspruch hat eine Erklärung: Das Bild erlangt seine Einheit nicht durch eine äußere Beherrschung, sondern findet sie in sich selbst. Es gewinnt an Einfachheit und an wirklichem Rythmus.


Valentiner ist 1941 in Kopenhagen geboren und lebt seit 1949 in Paris. Er teilt seine Zeit zwischen Paris und Berlin und lehrt an der Sommerakademie in Trier (Bundesrepublik.


Er beginnt im Alter von 18 Jahren zu malen, nachdem er sich in der „Ecole des Beaux-Arts“ von Tours einschreibt, da er dort eine Möglichkeit findet, regelmäßig zu arbeiten und eine Fortbildung zu erhalten. Er begeistert sich nun für Pollock, Nicolas de Stael, Hartung und entdeckt danach wieder seine Kindheitsliebe für Van Gogh.


Mit 21 Jahren geht er fort, um einige Zeit in Madrid zu leben, wo er den argentinischen Maler Alberto Greco trifft, der für seine Happenings bekannt ist. Er unterliegt dem Einfluß von Cobra und Saura. Zwischen 1963 und 1967 entdeckt er die abstrakte Malerei und die Popkünstler, hauptsächlich Warhol und Raysse. Die Pop-Malerei erlaubt ihm, die amerikanische Technik der Schablone zu verstehen, the hard edge, das heißt die harten Kanten, ohne Emotionen geschnitten, völlig im Gegensatz zum Expressionismus. Die Popkunst führt ihn auch zu den reinen Farben und zur glatten Fläche, ganz im Gegensatz zu den schmutzigen Farben des Expressionismus.


1969 gründet er in Tours den Salon Environs, der die Künstler der Provinz vereinigt, die zu jener Zeit noch wenig bekannt sind wie: Viallat, Pages, Bioulès und Clément. Er malt nun „Zielscheiben“ und „Detektive“, die in der Art der Pop-Ikonographie gestaltet werden. Anfang 1971 benutzt er die Tarnung, Arbeit über die Täuschung in der Malerei: Die Malerei gibt nicht nur etwas zu sehen, sie versteckt, sie täuscht. Er ist nun ganz nahe der Support/Surface (+), momentane Überlegungen über die Subversion und Materialität der malerischen Arbeit.


1973-74 beginnt er Raster zu erfinden, Netze, die bereit sind verschiedene Farb-Variationen aufzunehmen. Dieses Netz funktioniert wie ein Zwang, es bildet das Thema des Bildes. Er definiert seine Malerei zu dieser Zeit wie eine „Mischung von Vasarely und Morris Louis“. Das Netz erfordert große Formate. Dann 75 kein Netz mehr, die Unordnung, das Chaos. Das Chaos, das sich in seiner aktuellen Malerei entwickelt hat, wie ich es in seinen letzten Werken in Köln (+) sehen konnte: Breit, weit, chromatisch und frei.


Da sehen Sie, wie Valentiner die Freiheit gewonnen hat und wie er heute versteht, sind die großen Fragen, die von der Avantgarde und dem Kubismus gestellt werden, nach seiner Meinung, schon von Raphael behandelt worden. Ach so !


Richard Crevier

in ATAC, Magazine,

Seite - 9 - Februar 1984


(+) Name einer Vereinigung französischer Künstler in den siebziger Jahren. (Dumont's kleines Sachwörterbuch zur Kunst des 20. Jahrhunderts)

(+) Internationaler Kunstmarkt Köln 83

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