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Dies ist kein Rückblick


 
 

Mitte der achtziger Jahre haben sie sich in Trier kennengelernt: Peter Valentiner und Walter Wolf. Der eine arbeitete damals als Lehrer an einer Akademie, an der der andere teilnahm. Es war eine kurze Begegnung, wie immer wenn Künstler aus verschiedenen Regionen für ein paar Wochen zusammenkommen, angefüllt mit Anregungen und Bekanntschaften, von denen die meisten sich bald wieder verflüchtigen. Wolf studierte damals an der Städelschule in Frankfurt, Valentiner lebte abwechselnd in Trier, Paris und Berlin. Und dennoch verloren sich beide seitdem nicht mehr aus den Augen.


Nicht die Gemeinsamkeit eines künstlerischen Ansatzes brachte sie zusammen, sondern das persönliche Interesse am anderen, eine grundsätzliche Sympathie, die der Anfang jeder Freundschaft ist, und die auch das Werk des anderen berührte, obwohl oder gerade weil es so ganz anders ist als das eigene. Tatsächlich haben sie nie versucht, zusammen zu arbeiten. Statt dessen unternahmen sie gemeinsame Reisen, nach Prag, nach Berlin, nach Paris. Und seit Jahren treffen sie sich zum Frühstück im Atelier, um über Gott und die Welt und über Kunst zu sprechen. Man könnte annehmen, daß es nur eine Frage der Zeit sein mußte, bis die Idee zu einer gemeinsamen Ausstellung entstehen würde.


Nur einen winzigen Moment haben sie gezögert, als die Gelegenheit da war. Sie haben sich gefragt, was das Verbindende ihrer Kunst ist. Und schnell erkannten sie, daß in der Frage bereits ein Teil der Antwort liegt. Außer im Rahmen kunsthistorischer Übersichtspräsentationen wird gewöhnlich vermieden, extrem konträre malerische Positionen in einer Ausstellung zusammenzubringen. Künstler bemühen sich in der Regel stärker um die Abgrenzung vom anderen als um den Brückenschlag zu einem künstlerischen Ansatz, den sie selber nie pflegen würden. So werden die figürliche Expression und die geplante strukturelle Abstraktion oft wie völlig getrennte Welten betrachtet, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Und überhaupt werden in unserer Kultur die Dinge allzu häufig voneinander getrennt.


Ein zusammenhangloses Nebeneinander von Möglichkeiten, (Welt-) Anschauungen und Tätigkeiten bestimmt den gegenwärtigen Lebenszusammenhang. Überall werden Funktionen und Blicke spezialisiert, auch in der Kunst. Das viel-beschworene Cross-Over ändert daran nichts. Für jeden gibt es das entsprechende Angebot, während das gleichberechtigte Zusammentreffen des Verschiedenen an einem Ort allzu schnell und immer häufiger als Belastung, überflüssige Irritation und Anstrengung erlebt wird. Den meisten Menschen fällt es offenbar leichter, eine Ansicht zu vereinzelten Phänomenen kundzutun, als verschiedene Erscheinungen miteinander zu vergleichen und in einen Zusammenhang zu stellen. Sie ziehen es vor, eine Sache zum Maß aller Dinge zu machen und all das abzutun, mit dem sie nichts anzufangen wissen. Warum aber betrachtet man die verschiedenen Ansätze stets in Konkurrenz zueinander anstatt in einem wechselseitigen Ergänzungsverhältniss? Und warum grenzt man sich ab, anstatt in der Annäherung nach Möglichkeiten zu suchen? Das gilt für die Malerei wie für alles andere in der Kultur. Nicht Ignoranz im "anything goes" ist gefragt, sondern das Bemühen, die verschiedenen Perspektiven aufeinander zu beziehen.


Cologne-Höhenhaus

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